• Deutschland DEU
  • Jahreszeiten
  • Gesellschaft
  • Kirche
Meldung

Theologe: Warum es für Trauer neue Gedenkformen braucht

Wer trauert um einen, wenn man niemanden mehr hat? Der Theologe Rupert Scheule wünscht sich im zunehmenden Individualismus neue Formen des Totengedenkens. Eine Möglichkeit sieht er in historischer kirchlicher Tradition.

Um das Trauern in Zeiten zunehmender Einsamkeit nicht aus dem Blick zu verlieren, plädiert der Moraltheologe Rupert Scheule für neue Formen des Gedenkens. In einem am Dienstag veröffentlichten Gastbeitrag für das Portal katholisch.de weist Scheule darauf hin, dass in naher Zukunft fast die Hälfte aller Haushalte in Deutschland Single-Haushalte sein würden. "Wer soll eigentlich noch um uns trauern, wenn wir zu Lebzeiten auf Nahraum-Beziehungen immer mehr verzichten?"

Dieser Trend lasse sich nicht umkehren, Staat, Gemeinden und Kirchen könnten aber Abhilfe schaffen, erklärt der Regensburger Moraltheologe. Neben Volkstrauertag und Allerseelen könne auch bewusst an jene erinnert werden, die einsam gestorben seien. "Es wäre zumindest ein Zeichen gegen die Gleichgültigkeit. Ein Zeichen gemeinsamer Trauer über die vermehrte Trauerlosigkeit in unserer Gesellschaft, der es nicht egal sein kann, wenn mit der Trauer auch Liebe aus ihr entschwindet", so Scheule.

Eine weitere Möglichkeit sieht der Theologe in einem Wiederentdecken alter Gemeinschaftsformen. Als Beispiel nennt er die kirchlichen Bruderschaften, die im Mittelalter entstanden sind. Diese waren ursprünglich eine Form des reinen Gebetsbeistandes, dienten aber auch dazu, etwa Menschen, die aus der Fremde an einen neuen Ort kamen, zusammenzubringen. "Mancherorts gibt es Bruderschaften noch heute, etliche wurden als juristische Personen des Kirchenrechts aufgelöst, viele schlummern ohne formelle Auflösung vergessen vor sich hin", erklärt Scheule. Heute könnten sie aber als niederschwellige Angebote für Singles wieder hilfreich sein. "Auch in dieser Anknüpfung an alte Traditionen käme zum Ausdruck: Wir sehen einander, wir halten zueinander, vor dem Tod und über den Tod hinaus."