Femizide - Ältere Frauen in Pflegesituationen besonders gefährdet
Außerhalb der Partnerschaft sind besonders ältere Frauen in Betreuungssituationen gefährdet, wegen ihres Geschlechts getötet zu werden. Zu diesem Schluss kommt jetzt eine Untersuchung. Woran liegt das?
Berlin (KNA) Ältere Frauen über 60 Jahre sind laut einer Untersuchung besonders gefährdet, Opfer eines Femizids außerhalb von Partnerschaft oder Familie zu werden. Dabei gehe es um Frauen in Betreuungs- oder Pflegesituationen; dies sei "eine vulnerable Gruppe", sagte Müserref Tanriverdi vom Deutschen Institut für Menschenrechte am Freitag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin. Laut Daten des Instituts werden jährlich im Durchschnitt mehr als 95 Frauen über 60 Opfer eines solchen Tötungsdelikts.
Am Dienstag ist der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Laut einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen werden die meisten Femizide - also geschlechtsbezogene Tötungen von Frauen - hierzulande von kontroll- oder eifersüchtigen (Ex)-Partnern im häuslichen Umfeld verübt.
Die Femizide an älteren Frauen geschehen demnach oft in Krankenhäusern, Pflege- oder Bildungseinrichtungen. Mehr als 70 Prozent der Frauen, die Opfer eines Delikts im Rahmen eines Betreuungsverhältnisses würden, sind laut der Untersuchung des Instituts für Menschenrechte über 60 Jahre alt.
"Da es in diesem Bereich bisher wenig Forschungen gibt, können wir noch nicht genau sagen, woran das liegt", sagte Tanriverdi, die die Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt leitet. "Gewalt gegen ältere Frauen wird grundsätzlich von der Gesellschaft wenig thematisiert; insofern bleibt auch diese Problematik unsichtbar, und es gibt wenig Hilfsmaßnahmen."
Gründe könnten bisher nur vermutet werden, hieß es. So seien Frauen mit zunehmendem Alter und steigender Pflegebedürftigkeit oft stärker auf andere Menschen angewiesen. Körperliche und kognitive Einschränkungen führten womöglich dazu, dass sie sich nicht wehren könnten. "Die Täter üben oft Macht über sie aus." Auch seien sie vielleicht finanziell abhängig und sozial isoliert, was ihre Chancen auf Unterstützung verringere.
Zudem seien ältere Frauen noch in einer Zeit aufgewachsen, in der traditionelle Rollenbilder stärker vertreten waren, so die Expertin. Geschlechtsbezogene Gewalt könnte entsprechend als "etwas Privates" wahrgenommen werden, das nicht nach außen kommuniziert werde.
Es sei wichtig, ein Bewusstsein für diese Problematik zu schaffen, erklärte die Juristin. Dafür bedürfe es Kampagnen, die Gewalt gegen ältere Frauen verstärkt in den Blick nähmen. Auch Ärzte und Pfleger seien aufgefordert, auf Anzeichen von Gewaltausübung zu achten.
Weiter kritisierte sie die mangelnde Täterarbeit in Deutschland. "Obwohl Täterprogramme für die Prävention nachweislich mehr Erfolg haben als Geldstrafen, werden diese als Mittel zu wenig erkannt und eingesetzt", sagte Tanriverdi. Es stehen demnach zu wenig finanzielle Mittel zur Verfügung und Fachkräfte fehlen.
