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Studie: Einkommensungleichheit in Deutschland auf Höchststand

Die Reichen werden reicher, die Armen immer ärmer: Laut der Hans-Böckler-Stiftung ist die Einkommenskluft in Deutschland so groß wie seit 40 Jahren nicht. Sie sieht eine Gefahr für die Demokratie.

Die Einkommensungleichheit in Deutschland hat nach Analyse der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung einen neuen Höchststand erreicht. Wie aus dem am Donnerstag veröffentlichten Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Stiftung hervorgeht, ist der sogenannte Gini-Koeffizient - ein Maß für Einkommensungleichheit - zwischen 2018 und 2022 um gut sechs Prozent gestiegen. Mit einem Wert von 0,31 erreichte er den höchsten Stand seit 1984. Auch der Anteil armer Menschen in Deutschland liegt den Angaben zufolge auf Rekordniveau.

Die wachsende Ungleichheit hängt laut Studie eng mit sinkendem Vertrauen in staatliche und demokratische Institutionen zusammen. Besonders Menschen mit niedrigen Einkommen äußern demnach Skepsis gegenüber Polizei, Gerichten oder Bundesregierung. So gaben rund ein Viertel der Erwerbspersonen unterhalb der Armutsgrenze an, der Polizei wenig oder gar nicht zu vertrauen, knapp ein Drittel zeigte geringes Vertrauen in Gerichte. Parallel dazu fällt die Wahlbeteiligung in unteren Einkommensgruppen niedriger aus als in höheren - auch wenn sie bei der Bundestagswahl 2025 insgesamt gestiegen ist.

Studienautorin Dorothee Spannagel warnte vor gesellschaftlichen Spannungen. Besonders auffällig sei, dass vor allem niedrige Einkommen hinter der allgemeinen Entwicklung zurückblieben.

Die Quote armer Haushalte stieg laut den Berechnungen von 14,4 Prozent 2010 auf 17,7 Prozent 2022. Die sogenannte strenge Armut nahm von 7,9 auf 11,8 Prozent zu. Die Mittelschicht schrumpfte vor allem im unteren Bereich, während der Anteil einkommensreicher Haushalte weitgehend stabil blieb.

Nach der in der Studie verwendeten Definition gelten Haushalte als arm, wenn ihnen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung stehen. Für eine alleinlebende Person entspricht das derzeit einem Jahreseinkommen von unter 25.732 Euro nach Steuern und Sozialabgaben. Wer weniger als 50 Prozent des Medianeinkommens hat - also weniger als rund 21.440 Euro im Jahr - wird als streng arm eingestuft.

Der Verteilungsbericht stützt sich auf Daten des Sozio-oekonomischen Panels, einer Haushaltsbefragung, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung seit 1984 jährlich durchführt. Weitere Datengrundlage ist eine regelmäßige Befragung der Stiftung, für die zuletzt im März 2025 mehrere Tausend Erwerbstätige und Arbeitsuchende befragt wurden.