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Papst Leo übernimmt Kapitalismuskritik seines Vorgängers Franziskus

Vor fünf Monaten wurde Papst Leo XIV. gewählt. Nun hat er sein erstes offizielles Lehrschreiben veröffentlicht. Thema ist der Einsatz der Kirche für die Armen. Der Text hat es in sich.

Papst Leo XIV. hält an der Kapitalismuskritik seines Vorgängers Franziskus fest. In seinem am Donnerstag veröffentlichten ersten päpstlichen Lehrschreiben ruft er dazu auf, "Strukturen der Ungerechtigkeit mit der Kraft des Guten zu erkennen und zu zerstören".

In dem Schreiben übernimmt der aus den USA stammende Papst ausdrücklich die von der Kirche in Lateinamerika seit langem geforderte "Option für die Armen". Zugleich verwirft er die Idee, dass eine komplett freie Marktwirtschaft die Probleme der Armut und Ungerechtigkeit überwinden könne.

Das Lehrschreiben trägt den aus einem Bibelzitat abgeleiteten Titel "Dilexi te" (Ich habe dich geliebt) und wurde vom Papst als "Apostolische Exhortation" unterzeichnet. Es steht damit vom Grad der Verbindlichkeit eine Stufe unterhalb einer Enzyklika (Rundschreiben), ist aber ebenfalls eine weltweit zu verbreitende Äußerung des kirchlichen Lehramts.

In "Dilexi te" greift Papst Leo XIV. nach eigener Aussage Vorarbeiten seines Vorgängers Franziskus (2013-2025) auf, der sie zu seinen Lebzeiten nicht mehr abschließen konnte. Ein zentrales Element ist die von den Bischöfen in Lateinamerika seit 1968 entwickelte Forderung, dass die Kirche sich bevorzugt den Armen zuwenden und an der Überwindung sozialer Missstände aktiv mitwirken solle.

Der Papst übernimmt in dem Schreiben auch einen der provokantesten Sätze seines Vorgängers und betont, es sei notwendig, weiterhin die "Diktatur einer Wirtschaft, die tötet" anzuprangern. Gegen christliche Verklärungen des Kapitalismus argumentiert er: Obwohl es nicht an Theorien fehle, die versuchten, den aktuellen Zustand zu rechtfertigen, oder erklärten, dass die wirtschaftliche Vernunft von uns verlange, darauf zu warten, dass die unsichtbaren Kräfte des Marktes alles lösten, sei die Würde eines jeden Menschen jetzt und nicht erst morgen zu respektieren.

Weiter heißt es in dem Text: "Die Tatsache, dass praktizierte Nächstenliebe verachtet oder lächerlich gemacht wird, als handle es sich um die Fixierung einiger weniger und nicht um den glühenden Kern der kirchlichen Sendung, bringt mich zu der Überzeugung, dass wir das Evangelium immer wieder neu lesen müssen, um nicht Gefahr zu laufen, dass eine weltliche Gesinnung an seine Stelle tritt."