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Meldung

Neue Anzeige gegen Kardinal Woelki - Papst soll entscheiden

Erneute Anzeige gegen den Kölner Kardinal: Missbrauchsbetroffene wollen das Verfahren kirchenrechtlich neu aufrollen, beim Papst persönlich. Welche Erfolgsaussichten kann das haben?

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki ist erneut angezeigt worden. Der unabhängige Betroffenenbeirat bei der Deutschen Bischofskonferenz hat sich an den Vatikan gewandt, um ein kirchenrechtliches Verfahren gegen Woelki prüfen zu lassen. Das Gremium wirft dem Erzbischof vor, seine Amtspflicht verletzt zu haben sowie einen Meineid im Zusammenhang mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen ihn geleistet zu haben. Das Erzbistum wies die Darstellung des Betroffenenbeirats zurück. Experten beurteilen das Verfahren als völlig offen.

Die Anzeige, die der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt und bereits am Freitag versendet wurde, richtet sich im Anschreiben an den Heiligen Vater, also Papst Leo XIV. persönlich. Eingereicht wurde sie beim dienstältesten Bischof der Kölner Kirchenprovinz, dem Trierer Bischof Stephan Ackermann. Das Bistum Trier bestätigte den Eingang des Schreibens. Da sich Bischof Ackermann derzeit im Urlaub befinde, habe er das Schreiben aber noch nicht persönlich wahrnehmen können.

Hintergrund sind zurückliegende Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen möglicher Falschaussagen Woelkis zu zwei Missbrauchsfällen. Hinsichtlich zweier eidesstattlicher Versicherungen im Zuge zivilrechtlicher Presserechtsstreitigkeiten mit der "Bild"-Zeitung wurde das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Daneben besteht für die Staatsanwaltschaft aber ein hinreichender Verdacht, dass Woelki fahrlässig in einem Fall eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben sowie vor dem Landgericht einen Falscheid abgelegt hat. Wesentlich für den Verzicht auf eine Anklage sei gewesen, dass Woelki bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei.

Der Betroffenenbeirat sieht es als nachgewiesen an, "dass der Kölner Erzbischof in unverantwortlicher und zugleich rechtswidriger Weise seinen Amtspflichten nicht nachgekommen ist". "Das betrifft unter anderem seinen Umgang mit Anzeigen möglicher Sexualstraftaten durch Kleriker, die Meldung von Tätern an deren Wohnortdiözese sowie die ohne Ansehen der Person durchzuführenden Untersuchungen zur Aufarbeitung von Missbrauchstaten." Zuerst hatten der WDR und der "Kölner Stadt-Anzeiger" über die Anzeige berichtet.

Die Antragssteller berufen sich auf zwei Paragrafen des Kirchenrechts und machen geltend, dass die von der Staatsanwaltschaft festgestellten Pflichtverletzungen eine Verletzung seiner Amtspflichten im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch darstellten. Zudem sei durch Woelkis Agieren "ein schweres Ärgernis" in der Öffentlichkeit entstanden; auch das könne nach Kirchenrecht geahndet werden. Der Betroffenenbeirat glaube nicht mehr daran, dass unter Woelkis Leitung Missbrauchstaten ohne Rücksicht auf die Täter aufgeklärt werden könnten und bitte deswegen um die Einleitung einer kirchenrechtlichen Voruntersuchung gegen den Kardinal.

Das Erzbistum hält dagegen: "Die vorgebrachten Anschuldigungen sind offenkundig haltlos und bauen - sicherlich unabsichtlich mangels besseren Wissens - auf einer Reihe falscher Annahmen und Behauptungen auf." Das Verfahren gegen den Kardinal sei rechtskräftig eingestellt worden. Es treffe nicht zu, dass die Staatsanwaltschaft als juristisch gesichert festgestellt habe, dass der Kardinal unter Eid eine Unwahrheit gesagt habe. Juristisch gesicherte Feststellungen könnten auch nur durch das Gericht selbst und nicht durch die Staatsanwaltschaft getroffen werden, betonte das Erzbistum.

Zudem sei das Verfahren gegen Woelki nicht geführt worden, um den Umgang mit Anzeigen möglicher Sexualstraftaten, die Meldung von Tätern und erst recht nicht um die Aufarbeitung von Missbrauchstaten aufzuklären. "Damit kommt eine Anwendung der im Schreiben erwähnten kirchenrechtlichen Normen also überhaupt nicht in Frage", argumentiert das Erzbistum.

Kritisch sieht es die Erzdiözese zudem, dass in der Anzeige "weitere schwere Vorwürfe", wie ein nachlässiger Umgang mit Akten oder die Täuschung von Missbrauchsbetroffenen, erhoben würden, ohne diese jedoch zu belegen. "Auch diese sind offenkundig haltlos und entschieden zurückzuweisen. Kardinal Woelki hätte sich gewünscht, dass die Verfasser mit ihm den kritischen Austausch gesucht hätten."

Der emeritierte Kirchenrechtler Georg Bier wagte auf Anfrage der KNA keine Prognose, wie das Verfahren enden werde: "Die Erfolgsaussichten für die Antragssteller lassen sich aus meiner Sicht nicht abschätzen." Dass der Betroffenenbeirat den Vorwurf des Sorgfaltspflichtsverstoßes gegen den Kardinal äußere, sei nachvollziehbar. Die Apostolischen Schreiben, auf die er sich beziehe, seien jedoch auslegungsbedürftig. "Die Schreiben legen nur fest, dass bestimmte Sachverhalte relevant werden können, nennen aber keine Beurteilungskriterien." So sei zum Beispiel nicht festgelegt, in welchen Fällen eine Amtspflichtsverletzung "schwer" genug sei, um die Amtsenthebung eines Diözesanbischofs zu rechtfertigen.

Ein Meineid ist nach kanonischem Strafrecht zudem nur strafbar, wenn er vor einer kirchlichen Autorität abgelegt werde. "Insoweit ist irrelevant, ob der Erzbischof vor einem weltlichen Gericht eine beeidete Falschaussage abgegeben hat - was gerichtlich ja nicht abschließend geklärt ist." Moralisch sei eine etwaige Falschaussage verwerflich; ob sie als Ausdruck einer Amtspflichtverletzung gewertet werde, bleibe jedoch dem Ermessen jener überlassen, die über die Angelegenheit zu befinden haben. Die Entscheidung über das weitere Vorgehen liege beim Apostolischen Stuhl, so Bier.