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Schlechtes Zeugnis für Schweizer Abtei Saint-Maurice bei Missbrauch

Nicht nur, dass die Schweizer Traditions-Abtei Saint-Maurice Dutzende Missbrauchsfälle einräumen muss. Eine Prüfungskommission sieht auch einen Zusammenhang zwischen diesem Versagen und dem Zustand der Klostergemeinschaft.

Saint-Maurice (KNA) Das älteste Kloster der Schweiz, Saint-Maurice, muss massives Versagen im Umgang mit sexuellem Missbrauch einräumen. Eine vom Orden der Augustiner-Chorherren beauftragte unabhängige Untersuchungskommission legte am Freitag ihren Bericht vor. Demnach gab es im Zeitraum von 1960 bis 2024 mindestens 67 Fälle sexualisierter Gewalt zumeist an Minderjährigen, verübt von mindestens 30 Ordensmännern.

Die Abtei bat "bedingungslos um Vergebung" und kündigte einen Aktionsplan an. Unter anderem soll eine unabhängige Ansprechperson benannt werden, an die sich Betroffene wenden können. Man müsse mit Demut und Schmerz und mit Ernst und Reue den Realitäten ins Auge sehen und "das hören, was wir nicht hören wollten", heißt es in einer Erklärung des Klosters.

Die Abtei Saint-Maurice gilt als ältestes Kloster des Abendlandes, das ohne Unterbrechung besteht. Sie untersteht unmittelbar dem Papst. Der Ruf der im 6. Jahrhundert gegründeten Abtei wurde zuletzt durch Vorwürfe sexueller Verfehlungen schwer erschüttert. Das Kloster reagierte darauf erst auf Druck der Öffentlichkeit.

Für den Untersuchungsbericht befragt wurden in einem Jahr Recherche 57 Zeugen sowie 24 Geistliche. Dokumentiert wurden "Gesten oder Äußerungen mit sexuellen Anspielungen in einem Machtverhältnis, wiederholte sexuelle Berührungen, zweideutige Fotosessions, Verführungsversuche in einem Machtverhältnis, Exhibitionismus oder der Konsum von Kinderpornografie". Zudem gab es laut Bericht Fälle von sexuellen Übergriffen, Vergewaltigung sowie erzwungene Abtreibungen. Die Kommission wirft sowohl den Äbten als auch den örtlichen Behörden Versagen vor.

Der Konvent von Saint-Maurice erklärt weiter: "Die Abtei erkennt an, dass es eine Kultur des Schweigens und der Verharmlosung gab, die die Fähigkeit zum Zuhören, das Verantwortungsbewusstsein und die Wachsamkeit der Gemeinschaft geschwächt hat." Man habe wiederholt versäumt, Hinweise auf teils schwerwiegendes Fehlverhalten aufzunehmen.

Im Umgang mit Missbrauchsberichten stellt die Arbeitsgruppe dem Kloster ein schlechtes Zeugnis aus. So bescheinigt sie ihm eine "defensive Haltung", die zuallererst darauf abgezielt habe, den Ruf der Abtei zu schützen. Verdächtigte oder denunzierte Chorherren seien versetzt worden; "die Verantwortlichen der Abtei bemühen sich, die Handlungen der beschuldigten Kollegen zu vertuschen, sie zu verharmlosen, indem sie ein verschwommenes oder euphemistisches Vokabular benutzen", so die Autoren im Untersuchungsbericht.

Die Arbeitsgruppe sieht einen Zusammenhang zwischen dem Versagen beim Umgang mit Missbrauch und dem Zustand der Klostergemeinschaft; sie spricht von einem "systemischen Faktor". Man habe ein "unzureichendes Gemeinschaftsleben" und eine schlechte interne Kommunikation beobachtet. Dieses Defizit verringere die Möglichkeiten, auf die Schwierigkeiten der Mitbrüder einzugehen, Warnungen auszusprechen und sich über Sorgen auszutauschen, so der Bericht.

Der derzeitige 95. Abt von Saint-Maurice, Jean César Scarcella (73), hatte nach Vorwürfen gegen ihn sein Amt seit September 2023 vorübergehend ruhen lassen. Allerdings stellte der Vatikan keine Verfehlungen fest; im März übernahm er nun wieder die Leitung. Von Missbrauch Betroffene reagierten empört. So könne kein neues Vertrauen entstehen.